Frage 89
»Ich war 17 und wollte entweder ein Piercing oder ein Tattoo – es ging mir darum, mich darüber ausdrücken zu wollen. Wie war fast schon zweitrangig. Meine Eltern erlaubten mir das Tattoo, aber ich wusste gar nicht, was ich mir tätowieren lassen sollte. Zu diesem Zeitpunkt besuchten meine Mutter und ich einen Chi-Gong-Kurs und sie trug dabei immer ein Yoga-Shirt mit einem Zeichen drauf, dass ich bis dahin nicht kannte. Ich stand ihr also gegenüber, habe das Zeichen gesehen und dachte mir: Das will ich. Natürlich habe ich mich dann erst einmal informiert, was es überhaupt bedeutet. Und auch wenn ich es damals nicht richtig verstanden habe, dachte ich mir: Das ist schön, das passt. Also bin ich zum Tätowierer gegangen, einem Altrocker der dann später noch im Gefängnis saß, und erklärte ihm mein Anliegen. Der erwiderte dann auch straight: »Ja, ist nicht das schönste Motiv, aber ich kann es dir schon dahin stechen.« Erst Jahre später habe ich wirklich begriffen, dass es das Om-Zeichen ist, das heiligste aller Mantren, daher wird es oft gesungen. Und es steht für die ›Weltseele‹, was ich total schön finde.
»In der heutigen Zeit sind Tätowierungen nicht mehr so anrüchig, ich kenne das noch anders. Mein erstes Tattoo hatte ich mit 14. Wenn ich damals Schwebebahn gefahren bin, habe ich die Blicke schon gespürt. Das war eben die Reaktion in den 70er-Jahren auf tätowierte Männer: Man hat neugierig geschaut, aber war zugleich auch ängstlich. Heutzutage ist das anders. Wir haben unsere Tattoos damals selbst gestochen und richtig nachvollziehen kann ich es heute kaum noch. Aber ich denke, dass ich es aus einer Schwäche heraus getan habe, um mich härter dazustellen, als ich in Wirklichkeit war. Ich baute mir meinen eigenen Schutzraum.
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