Frage 23
»Ich habe eine Schauspielausbildung gemacht. In dieser Ausbildung habe ich sehr viel über mich selbst gelernt. Man sagt ja oft, dass eine Schauspielausbildung auch eine Art Therapie ist und teilweise so hart, dass man mit Anfang 20 dafür kaum ausreichend gefestigt ist. In einem Kurs, Method Acting, sollte ich einen Song auf der Bühne interpretieren und vorführen mit dem Ziel, den Lehrer zu überzeugen. Diese Methode fordert enorm: Im Grunde bricht man sich selbst auf, geht komplett in das Stück oder Lied hinein. Und warum auch immer – ich war die einzige, die nie ein neues Lied bekommen hat und musste Woche für Woche dasselbe Lied singen: Dido, Here with me. Das ging irgendwann so weit, dass die ganze Klasse für mich aufgestanden ist und die Entscheidung des Lehrers hinterfragt hat. Dadurch bin ich noch schüchterner geworden.
Irgendwann bekam ich dann wieder mal ein negatives Feedback vom Lehrer: Anika, du hast die nächste Runde wieder verpasst, der Funke springt nicht über. Und dann bin ich aufgestanden und gegangen. Das hätte ich mich eigentlich nie getraut, denn ich bin ein sehr höflicher Mensch und überlege immer, was andere über mich denken könnten. Aber dieses Mal war es mir einfach egal. Natürlich hat mein Lehrer mein Verhalten als Negativbeispiel bewertet, für ihn war es ein Aufgeben. Ich jedoch habe gemerkt: Offensichtlich empfinde ich auch eine Art Trotz, habe einen bestimmten Wert für mich definiert und weiß: Ich muss jetzt aufstehen und gehen, denn mir tut das nur noch weh. Das mache ich jetzt für mich, bis hier hin und nicht weiter – diesen Punkt zu finden, das war eine Lektion für mich.
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